Tiergesundheit

Hunde an Silvester beruhigen— mit Eierlikör

Silvester 16 – Immer noch Finger weg von Acepromazin! Und was Neues!
06.11.2016
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Vorletztes Jahr habe ich den obligatorischen Silvesterartikel erst viel zu spät, nämlich am 27. Dezember gepostet, 2015 dann schon Anfang Dezember, und dieses Jahr versuchen wir es mal so richtig früh, in den ersten Tagen des Novembers, denn es gibt neue und wichtige Infos zu dem Thema.

Das Wichtigste (wie jedes Jahr) zuerst: Geben Sie Ihrem Hund auf gar keinen Fall Acepromazin! Dieses Phenothiazin-Derivat ist ein Neuroleptikum und Sedativum und wird unter den Handelsnamen Vetranquil, Sedalin, Calmivet und Prequillan vertrieben. Acepromazin wurde früher weit verbreitet an Silvester eingesetzt und hat dabei von außen betrachtet eine gute Wirksamkeit gezeigt, sprich die Hunde waren richtig platt. Seit geraumer Zeit wissen wir aber, dass das Geräuschempfinden und die damit verbundene Angst der Patienten durch den Wirkstoff nicht wirklich eingeschränkt werden. Der Hund hat also keinen Deut weniger Angst als sonst, er ist nur körperlich unfähig zu erkennbaren Reaktionen. Das ist natürlich eine ganz fiese Sache, also Finger weg! Es gibt durchaus nach wie vor Kolleginnen und Kollegen, bei denen diese Erkenntnis bisher leider nicht angekommen ist.

So, durch die Erfahrungen des letzten Jahres gewitzt, werden wir jetzt erst mal definieren, um was es geht, wenn wir über die pharmakologische Dämpfung schwerer Geräusch- bzw. Silvesterangst reden: Es geht in erster Linie um Hunde, die an Silvester unter panischen, nicht kontrollierbaren Angstzuständen leiden, also um Tiere, die völlig erstarren, die nur noch zittern, die Harn und Kot unter sich lassen oder erbrechen, die auch durch ein offenes Fenster im dritten Stock springen würden, um der Situation zu entgehen, und so weiter und so fort.

Die wissenschaftliche Verhaltensmedizin ist sich sicher, dass Angstzustände von solcher Intensität nicht zuletzt unter tierschützerischen Aspekten pharmakologisch gedämpft werden sollten, weil sonst ein Teufelskreis in Gang kommt, der sich jedes Jahr weiter verstärkt. Zur eigentlichen Angst vor der für den Hund nicht korrekt zuzuordnenden Knallerei, den optischen Effekten und dem Geruch tritt nämlich in zunehmendem Maß die Angst vor der Angst, und genau dieser Effekt wird erfahrungsgemäß immer schlimmer.

Letztes Jahr habe ich mich im Rahmen der etwa 700 Beiträge umfassenden Facebook-Diskussion meines Silvester-Postings zu folgendem Statement gezwungen gesehen:

“Der Kurz-Artikel hat ca. 550 Wörter. 107 davon, also gerade mal ein Fünftel, beschäftigt sich damit, dass BEI EXTREM VERÄNGSTIGTEN Hunden die Verwendung von angstlösenden Benzodiazepinen in Betracht gezogen werden könnte. Ansonsten warne ich noch vor der Anwendung von Acepromazin und weise auf andere und völlig harmlose Möglichkeiten hin, weniger extreme Angstzustände unter Kontrolle zu bringen. Nichtsdestotrotz hat dieses recht kurze Eingehen auf die bezüglich schwerer Angstzustände überaus wichtige Medikamentengruppe der Benzodiazepine, deren Nicht-Erwähnung tiermedizinisch absolut nicht zu rechtfertigen gewesen wäre, leider dazu geführt, dass sich hier in der Diskussion wieder mal die übliche Rotte der selbstgerechten Ignoranten mit dem Ziel der Demonstration ihrer vermeintlichen moralischen Überlegenheit versammelt hat. Ich schäme mich richtig schön fremd und entschuldige mich bei allen Hundebesitzern, die genau wissen, wovon die Rede ist, wenn ich von “extrem verängstigt” schreibe, und die sich wohl oder übel gezwungen gesehen haben oder sich noch gezwungen sehen werden, das schreckliche Leiden ihrer Hunde mit Benzodiazepinen zu lindern. Ich kann Ihnen aus meiner langen Berufserfahrung heraus versichern, dass die Besitzer von Hunden, bei denen Bach-Blüten, Globuli, etwas zu futtern oder Spielablenkungen zur Angstbewältigung ausreichen, sich zwar sehr glücklich schätzen können, aber nicht die geringste Ahnung davon haben, was mit extremen Angstzuständen gemeint ist. Ich bitte Sie, sich von diesem selbstbeweihräuchernden Geschwätz nicht verunsichern zu lassen. Wenn Sie psychisches und physisches Leiden in so übler Ausprägung durch die Gabe von ein oder zwei Dosierungen Diazepam oder Alprazolam entscheidend lindern können, dann verhalten Sie sich sicher tierschutzgerechter als jede Kommentatorin mit nachgerade absurder Benzodiazepin-Paranoia, die lieber ihren Hund zwei Tage doppelt angeleint (oder besser: an sich gefesselt?) durch die Gegend schleift, als ihm ein wenig “chemische” Erleichterung zu gönnen. Benzodiazepine sind kein Werk des Teufels, und wer sie bei sich selbst oder seinem Tier anwenden muss, ist auch beileibe kein verantwortungloser und böser Mensch. So, jetzt bin ich stellvertretend für Sie, die Besitzer extrem feuerwerks- und gewitterängstlicher Hunde, mal kurz geplatzt, damit Sie locker bleiben können und sich nicht alleingelassen fühlen müssen.“

Nun, damit sollte dieses Mal klar sein, um was es eigentlich geht. Widmen wir uns doch zuerst mal den Tieren, die zwar erkennbar Schiss vor der Knallerei haben, ihre Angst aber noch ganz gut kontrollieren bzw. bewältigen können.

In solchen Fällen können Präparate versucht werden, die nicht als Medikamente, sondern als Nahrungsergänzungsmittel deklariert sind, wie zum Beispiel Zylkene und Adaptil-Tabletten. Unter dem Namen Adaptil werden auch ein Pheromonverdampfer für die Steckdose und ein Pheromon-Halsband vertrieben, die sich ebenfalls als hilfreich erweisen können.

Es spricht natürlich auch nichts gegen die Verabreichung von Bachblüten-Tröpfchen oder irgendwelcher Globuli Ihrer Wahl. Wenn dadurch Sie als Besitzer über den sogenannten „Placebo-by-proxy-Effekt“ beruhigt werden, wird sich das auch Ihrem Hund positiv mitteilen, was durchaus hilfreich sein könnte.

Meine Kollegin Sophie Strodtbeck beschreibt in einem Artikel zum gleichen Thema, dass sie einem ihrer Hunde durch geräuschdämpfende Maßnahmen helfen konnte. Sie hat Watte in die Ohren gepackt, einen Schal um den Hundekopf gewickelt und diesen mit selbstklebendem Verband fixiert. Ich wäre ehrlich gesagt nicht auf einen solchen Gedanken gekommen, aber einen Versuch könnte das wohl wert sein. Durch einen Kommentar meiner lieben Kollegin Sabine Schroll wurde ich letztes Jahr daran erinnert, dass es ja auch noch die sogenannten Mutt Muffs zur Geräuschabschirmung gibt. Einfach mal googeln! Bei den Teilen scheint allerdings der Preis etwas abschreckend zu sein.

Zuletzt seien noch die sogenannten Thunder-Shirts erwähnt, eng anliegende und elastische Bodys, die durch die auf den Hundekörper ausgeübte sanfte Kompression ebenfalls einen beruhigenden Effekt erzielen sollen. Ich habe damit keine eigenen Erfahrungen, aber schon viele positive Berichte gelesen.

Oft wurde und wird dazu geraten, die Angst des Hundes einfach zu ignorieren, um das Problem nicht auch noch durch Bestätigung zu verstärken. Das sieht man inzwischen anders. Ob die aktuelle Meinung die richtige ist? Keine Ahnung! Ich folge da einfach meinem Bauchgefühl. Unser Nogger, sonst ganz der furchtlose Terrier, kann mit Feuerwerk gar nicht umgehen. Er sucht in seiner Angst die körperliche Nähe zu seinen Menschen, und die bekommt er auch. Wenn Ihr Hund in dieser Situation Körperkontakt, Berührung oder gar eine beruhigende Massage haben möchte, dann lassen Sie sich um Gottes Willen nicht durch zweifelhafte Ratschläge davon abhalten.

Auf allgemeine Maßnahmen wie das Aufsuchen ruhiger Räume, Musik, Fernsehr und das Herunterlassen der Rollläden muss ich wohl nicht extra eingehen.

So, widmen wir uns nun den extremen Fällen, die wir weiter oben schon eingegrenzt und definiert haben. Alle Besitzer(innen) von Tieren, die ihre Angst noch kontrollieren können bzw. durch die angeführten Maßnahmen der milderen Art halbwegs zurecht kommen, können an dieser Stelle eigentlich aussteigen. Jetzt geht es um Hunde, bei denen es so schlimm ist, dass man mit ihnen an Silvester stundenlang über die Autobahn gondelt oder gleich einen Kurzurlaub in einem völlig einsam gelegenen Hotel bucht.

Letztes Jahr habe ich für diese Extremfälle die zeitlich begrenzte Anwendung von Benzodiazepinen wie Diazepam oder Alprazolam (mein Favorit) empfohlen. Benzodiazepine sind im Gegensatz zum oben erwähnten Acepromazin tatsächlich anxiolytisch, also angstlösend, und werden vom Patienten als entsprechend wohltuend und stressmindernd wahrgenommen. Diese Medikamentengruppe gilt auch als sehr anwendungssicher. Wieder im Gegensatz zu Acepromazin kann es bei Benzodiazepinen eigentlich nicht zu bedrohlichen Kreislaufdepressionen kommen. Das zweifellos vorhandene Suchtpotential der Benzodiazepine spielt bei einer so kurzen Anwendungsdauer und bei Patienten, die nicht selbst über die fortgesetzte Einnahme entscheiden können, nicht die geringste Rolle.

Eine Alternative zu Benzodiazepinen, die unter Kolleginnen und Kollegen als gut wirksam gilt, mag das Antiepileptikum Imepitoin (Handelsname “Pexion”) darstellen. Ich habe damit bisher keine eigenen Erfahrungen gemacht. Mit der Gabe muss allerdings in sich steigernder Dosierung bereits fünf Tage vor Silvester begonnen werden. Da das Präparat für die Behandlung der Epilepsie zugelassen ist, handelt es sich bei der Anwendung gegen Geräuschangst um einen sogenannten Off-Label-Use.

Seit diesem Jahr – und damit kommen wir zu der angekündigten Neuigkeit – haben wir nun plötzlich ein arzneimittelrechtliches Problem: Die sogenannte Kaskadenregel verpflichtet uns Tierärzte, bei der Behandlung bestimmter Krankheitsbilder immer zuerst auf Medikamente zuzugreifen, die genau für diesen Zweck zugelassen sind. Bisher gab es keine ausdrücklich für (extreme) Silvesterangst zugelassenen Präparate auf dem Markt. Das hat sich mit der Einführung des Präparats “Sileo” mit dem Wirkstoff Dexmedetomidin geändert. Bei enger Sicht der arzneimittelrechtlichen Vorschriften (und eine andere als die enge Sicht gibt es nach Meinung der Überwachungsbehörden nicht!) kann eine medikamentöse Linderung schwerer und akuter Geräuschangst dieses Silvester eigentlich nur mit Sileo durchgeführt werden. Die Abgabe bzw. Verschreibung von Benzodiazepinen wie Alprazolam aus dem humanmedizinischen Bereich oder der Off-Label-Gebrauch von Imepitoin (Pexion) ist mit der Zulassung von Sileo für den Tierarzt zu einem riskanten Rechtsverstoß geworden. Eine Ausnahme sehe ich allerdings: Bei Hunden, die ab Beginn der Knallerei – also schon zwei Tage vor Silvester – am Durchdrehen sind, mag die Verschreibung von Alprazolam weiter gerechtfertigt sein, weil Sileo laut Zulassung nur fünfmal im Mindestabstand von zwei Stunden eingegeben werden darf, also eigentlich nur für die Anwendung am Silvestertag selbst geeignet ist. Alprazolam kann man dagegen durchaus über drei, vier Tage anwenden.

Wie sich Sileo im realen Leben an Silvester bewähren wird, werden wir dieses Jahr sehen. Die der Zulassung zugrundeliegenden Arbeiten und Daten klingen auf jeden Fall ermutigend. Die korrekte Anwendung des Präparates ist erklärungsbedürftig. Es liegt in Form eines Gels vor, das über die Backenschleimhaut aufgenommen werden muss und nicht etwa abgeschluckt werden soll. Käufer des Medikaments werden von uns entsprechend unterrichtet. Der Hersteller hat auch ein ausführliches Erklärungs-Video online zur Verfügung gestellt.

Zu guter Letzt komme ich noch auf eine vom Arzneimittelrecht völlig unberührte Alternative zur Beruhigung sehr ängstlicher Hunde zu sprechen, die voriges Jahr während der Diskussion ebenfalls für gewaltige Aufregung gesorgt hat, nämlich Alkohol. Alkohol, von Hunden speziell in Form von Eierlikör sehr gern aufgenommen, ist natürlich – wie wir fast alle wissen – in der korrekten Dosierung ein recht potentes Sedativum mit angstlösender Wirkung. Mein Terrier Nogger (knapp 10 kg schwer) hat letztes Silvester um 20 und um 23 Uhr jeweils einen kleinen Esslöffel Eierlikör bekommen, und es hat ihm sowohl sehr gut geschmeckt als auch nach meinem Dafürhalten beträchtlich geholfen. Diese meine Erfahrung wurde mir auch von verschiedensten Seiten genau so bestätigt.

Natürlich werden jetzt wieder diejenigen, die alles glauben, was im Internet steht (Alkohol wird ja da immer gern unter den zehn für den Hund giftigsten Substanzen aufgeführt), mit den üblichen Anwürfen kommen: Wie kann man nur, als Tierarzt!!! Völlig verantwortungslos!!! Inkompetenter Idiot!!! Suchen Sie sich einfach was aus, geht mir glatt am Allerwertesten vorbei. Fakt ist: Hunde fallen von einer begrenzten Menge Alkohol keineswegs tot um, sondern werden – wie wir Menschen – einfach etwas angesäuselt, was in diesem Fall genau der gewünschte Effekt ist. Und Hunde werden auch nicht, wenn sie einmal im Jahr eine minimale Menge Alkohol bekommen, zu Alkoholikern.

Ich bin Pragmatiker. Ich weiß demzufolge, dass das häufiger gemacht wird, als man denken würde. Warum also nicht mal drüber reden? Und ich traue den meisten meiner Mitmenschen selbständiges Denkvermögen zu. Sie können das also in meinen Augen mit aller gebotenen Vorsicht ruhig mal versuchen. Vielleicht ist ja am Ende Eierlikör die passende Lösung für Sie und Ihren Hund.

So, damit bleibt mir nur, uns allen die Daumen zu drücken, dass wir diesen für unsere Hunde so stressigen Tag wieder mal halbwegs gut hinter uns bringen.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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9. Dezember 2018 / by / in
Impfen mit Verstand

Positionsbestimmung
10.01.2016
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Meine lieben Leserinnen und Leser, ein Wort zur Warnung: Auf diesen über 5000 Wörter umfassenden Artikel muss man sich einlassen wollen. Das Thema ist in meinen Augen viel zu komplex, um es in Kurzform abhandeln zu können. Fangen Sie am besten erst an zu lesen, wenn Sie auch ein wenig Zeit übrig haben. Vielleicht ein Glas Wein, eine große Tasse Kaffee, ein paar Zigaretten? Fertig? Also, los geht’s!

Nach wie vor beschweren sich (praxisfremde) Leser unserer Facebook-Seite in Kommentaren bitterlich, dass ihre Hunde und Katzen jedes Jahr gegen alles geimpft würden, was der Impfstoff-Kühlschrank hergibt. Und nach wie vor sehe ich Impfpässe von zu uns wechselnden Kunden, die belegen, dass nicht wenige Kolleginnen und Kollegen das tatsächlich so handhaben und ihre Patienten unbeirrt massiv überimpfen. So viele Jahre nach Veröffentlichung der maßgeblichen Impfleitlinien kann einem das natürlich nicht gefallen.
Warum werden die Leitlinien in einigen Praxen nicht konsequent umgesetzt oder sogar vorsätzlich missachtet? Ich kann da nur mutmaßen: Kolleginnen und Kollegen, die außer auffällig niedrigen Gebühren wenig gute Argumente für ihre Praxen ins Feld führen können, sind oft ganz entscheidend von den durch Impfungen generierten Umsätzen abhängig. In solchen Aldi-Praxen können Impfungen mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmachen. Da kann sich eine Reduktion der Impfhäufigkeit natürlich extrem unangenehm auswirken. In anderen Fällen mögen auch mangelnde Flexibilität und ungenügender Fortbildungswille eine Rolle spielen. Wie gesagt, ich kann nur spekulieren, weil ich es letztendlich nicht wirklich verstehe. Auf jeden Fall laufen da gern mal wieder genau die Kunden ins offene Messer, für die es in erster Linie billig sein muss.

Andererseits liegt es natürlich ein Stück weit auch an Ihnen als Tierbesitzer. Bei so manchem Kommentar denke ich für mich: “Du bist aber echt das ideale Opfer, weil du einfach zu faul warst, dich auch nur ein bisschen zu informieren!” Und das, obwohl ich und andere Kolleginnen und Kollegen, die öffentlich gut wahrnehmbar sind, seit Jahren auf die existierenden Leitlinien hinweisen und diese im Netz auch für jedermann sehr gut zugänglich sind. Ich muss aber natürlich einräumen, dass Sie sich eigentlich nicht informieren müssen sollten. Normalerweise sollten Sie sich nämlich darauf verlassen können, dass Ihre Tierärztin / Ihr Tierarzt das schon richtig macht.

Da diesbezüglich aber Wunsch und Wirklichkeit nicht in allen Fällen übereinstimmen, starte ich hier einfach einen erneuten Anlauf, Sie zu informierten Tierbesitzern zu machen, die dazu in der Lage sind, unnötig häufiges Impfen auch als solches zu erkennen. Wir fassen in diesem Artikel also Impfempfehlungen wie die der WSAVA (World Small Animal Veterinary Association), der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (Stiko Vet), der AAHA (American Animal Hospital Association) und der Medizinischen Kleintierklinik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Vorstand Prof. Dr. Katrin Hartmann) zusammen und ziehen daraus weitergehende Schlüsse für unsere eigene Impfpraxis.

Generell stimmen die Aussagen der genannten Leitlinien in vielen Punkten überein. Wo es Unterschiede gibt, sind diese oft dem Umstand geschuldet, dass die jeweiligen Leitlinien für unterschiedliche Zielgruppen verfasst wurden. Die WSAVA hat natürlich die ganze Welt im Blick, die AAHA nur (Nord-)Amerika, die Stiko Vet und die Münchner Universitätstierklinik nur Deutschland bzw. Europa. Hierzulande müssen uns also die beiden deutschen Leitlinien besonders interessieren.

Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Vet mit ihren auf dem Feld der Immunologie hoch angesehenen Mitgliedern sind für Deutschland das, was man in der Medizin gern als “Goldstandard” bezeichnet, sozusagen das Maß der Dinge. Sollte je ein Tierarzt von einem Patientenbesitzer vor Gericht beschuldigt werden, entweder zu viel oder zu wenig geimpft zu haben, wird der Richter mit Sicherheit die Leitlinien der Stiko Vet zu Rate ziehen und an erster Stelle in seine Entscheidung einfließen lassen. Grundsätzlich kann man also weder als Tierarzt noch als Tierbesitzer etwas falsch machen, wenn man sich einfach an die Stiko-Empfehlungen hält.

Also, dann arbeiten wir uns da mal durch, und zwar nur unter Berücksichtigung der Krankheiten, gegen die üblicherweise geimpft wird, also beim Hund Tollwut, Staupe, Hepatitis, Parvovirose, Leptospirose und eventuell Parainfluenza, bei der Katze Tollwut, Feline Leukämie, Katzenseuche und Katzenschnupfenkomplex (mit seinen zwei Unterkomponenten Felines Calici- und Felines Herpes-Virus).

Ganz allgemein und in allen Leitlinien wird zwischen zwei Elementen des Impfens unterschieden: Zum einen der Grundimmunisierung, die dem erstmaligen Aufbau des Impfschutzes dient, zum anderen den Auffrischungs-Impfungen zum Erhalt desselben. Einer sorgfältigen Grundimmunisierung wird von allen Leitlinien die allergrößte Bedeutung beigemessen, und es herrscht auch weitgehende Einigkeit darüber, wie diese durchzuführen ist.

– Staupe, Parvovirose und Hepatitis beim Hund (Abkürzung auf den Impfpass-Etiketten: SHP oder bei ausländischen Impfstoffen DHP, wobei das D für Distemper steht, die englische Bezeichnung für Staupe): Wird zum ersten Mal ab der 8. Lebenswoche geimpft und dann alle drei bis vier Wochen bis zum Erreichen der 16. Lebenswoche, also in der Regel drei Mal. Wirkt ein wenig wie Overkill, macht aber Sinn. Die Welpen bekommen von der Mutter die sogenannten maternalen Antikörper mit auf den Weg, die sie in den ersten Wochen vor Infektionen schützen sollen. Ohne aufwändige und mehrfache Titerbestimmungen, die zwar theoretisch machbar, im Alltag aber sicher nicht praktikabel sind, kann man nicht wissen, wie viele maternale Antikörper bei den Welpen eines Wurfes für wie lange vorhanden sind. Man geht davon aus, dass diese Antikörper irgendwann zwischen der 8. und der 16. Woche ihre Wirksamkeit verlieren. Was wir haben wollen, ist ein möglichst fließender und lückenloser Übergang zwischen dem Schutz durch maternale Antikörper und dem Schutz durch die Impfungen. Maternale Antikörper verhindern aber den Aufbau eines Impfschutzes, drehen sozusagen den Impferregern den Kragen um, bevor sie richtig wirksam werden können. Hat ein Welpe sehr viele dieser Antikörper, kann es sein, dass erst die dritte Impfung mit 16 Wochen einen echten Effekt erzielt, die beiden vorhergehenden aber mehr oder weniger wirkungslos verpuffen. Warum dann nicht überhaupt erst mit 16 Wochen impfen, werden Sie fragen. Ganz einfach: Weil sonst bei Welpen mit wenigen maternalen Antikörpern Tür und Tor für eine fatale Infektion offen stehen würde, und zwar in einem riskanten Zeitraum, in dem sie durch Welpengruppenbesuche und ihr noch wenig kompetentes Immunsystem sowieso akut gefährdet sind. Man nennt diese kritischen Wochen auch die immunologische Lücke, die es durch das mehrfache Impfen zu überbrücken gilt.

– Bei der Katze wird die Grundimmunisierung gegen Katzenseuche und Katzenschnupfen (im Impfpass: RCP) nach dem genau gleichen Schema aufgebaut. Daran mag sich in nächster Zeit etwas ändern, weil neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die maternalen Antikörper bei Katzenwelpen teilweise so lange wirksam bleiben, dass ein nicht vernachlässigbarer Prozentsatz der bis zur 16. Woche dreimal geimpften Tiere immer noch keinen ausreichenden Impfschutz aufgebaut hat.

Wichtig: Abgeschlossen wird die Grundimmunisierung bei beiden Tierarten erst mit einer letzten Impfung im Alter von 15 Monaten!

Und ebenfalls wichtig: Bei Tieren, die mit über 12 Wochen erstmals geimpft werden, reicht eine zweimalige Impfung im Abstand von 3 bis 4 Wochen aus, natürlich wieder gefolgt von der die Grundimmunisierung abschließenden Nachimpfung mit ca. 15 Monaten.

Ich kann gar nicht genug betonen, für wie wichtig ich es halte, dass diese Vorgehensweise möglichst genau eingehalten wird. Regelmäßige Leser meines Blogs wissen, dass wir seit Dezember 2014 einen Titer-Schnelltest in der Praxis einsetzen, um die Notwendigkeit von Auffrischungs-Impfungen besser einschätzen zu können. Es zeichnet sich mit jedem Test, den wir durchführen, immer deutlicher ab, dass wohl nichts den Aufbau eines wirksamen Impfschutzes effektiver verhindert als Schlamperei bei der Grundimmunisierung. Dagegen haben sauber grundimmunisierte Tiere regelmäßig deutliche und lang anhaltende Titer, eventuell ja sogar – was bestimmte Krankheiten angeht – einen lebenslang belastbaren Impfschutz.

Ach ja, noch etwas zur oft als inzwischen unnötig bezeichneten Impfung gegen die Hepatitis contagiosa canis, die ansteckende Leberentzündung des Hundes, die ja in dem oben erläuterten Schema enthalten ist: Die Krankheit wird durch das Canine Adenovirus (CAV) Typ 1 verursacht. Die konsequente Impfung der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass dieser Erreger nur noch sehr selten nachgewiesen wird, meist bei Importwelpen aus Osteuropa. Da aber der bedauerliche Trend zum Wühltischwelpen unvermindert anhält und man bei der heutzutage üblichen Impfmüdigkeit bestimmter Tierbesitzer allemal damit rechnen muss, in der Welpenspielgruppe auf einen Überträger zu stoßen, macht die Impfung immer noch einen gewissen Sinn. Die aktuellen Impfstoffe richten sich zudem gegen das CAV Typ 2, das für seine Beteiligung am Zwingerhusten-Krankheitsgeschehen bekannt ist, gleichzeitig aber auch eine Kreuzimmunität gegen CAV Typ 1 induziert, was einen Doppelnutzen darstellt.

Jetzt müssen wir uns noch um die Krankheiten kümmern, die ich zwar oben aufgezählt, aber noch nicht besprochen habe:

– Tollwut bei Hund und Katze (im Impfpass: T oder auf ausländischen Etiketten R für Rabies): Die Stiko Vet hebt darauf ab, dass aufgrund der Tatsache, dass Deutschland seit Jahren frei von terrestrischer Tollwut ist, die flächendeckende Tollwut-Impfung nicht mehr wirklich als absolut notwendig bezeichnet werden kann. Bei Tieren, die am grenzüberschreitenden Reiseverkehr teilnehmen, führt an der regelmäßigen Impfung aber kein Weg vorbei. Darüber hinaus stellt die deutsche Tollwut-Verordnung ein nicht geimpftes Tier viel schlechter als ein geimpftes: Gerät ein Tier unter Tollwut-Verdacht, ist es bei nicht gültiger Impfung ohne jede Diskussion zu töten! Andererseits ist schwer vorstellbar, unter welchen Umständen beispielsweise eine nicht am Reiseverkehr teilnehmende Katze, die mitten in Deutschland lebt, je unter Tollwutverdacht geraten könnte. In dieser Frage muss der Besitzer eine informierte Entscheidung treffen. Meine eigenen freilaufenden Katzen (alle zwischen 11 und 15 Jahre alt) sind zwar gut grundimmunisiert, werden aber inzwischen nicht mehr nachgeimpft. Ausschließlich im Haus gehaltene Katzen brauchen natürlich auf keinen Fall eine Tollwut-Impfung.

Wird eine Tollwut-Impfung benötigt, so reicht nach der aktuellen Gesetzeslage eine einmalige Impfung im Alter von mindestens 3 Monaten (nicht 12 Wochen!) für die Grundimmunisierung aus. Die in den Leitlinien empfohlene zweite bzw. dritte Impfung 3 bis 4 Wochen später und mit 15 Monaten geht über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, kann aber unter immunologischen Gesichtspunkten sinnvoll sein, dies insbesondere, wenn schon zu diesem Zeitpunkt klar ist, dass das Tier wegen Reisen in nicht gelistete Drittländer eine dafür erforderliche Titerbestimmung benötigen wird.

– Parainfluenza beim Hund (im Impfpass: Pi): Das Canine Parainfluenza Virus (CPiV) ist (wie das oben schon angesprochene CAV2) EINER der Erreger, die am Zwingerhustenkomplex (Infektiöse Tracheobronchitis) beteiligt sind. Eine Impfung gegen CPiV wird also niemals eine Zwingerhusten-Infektion verhindern können, sondern nur helfen, die Symptome und eventuell die Dauer der Erkrankung zu vermindern. Speziell was dieses Thema angeht, wäre ich echt froh, wenn ich nicht ständig das vorwurfsvolle Genörgel von uninformierten Besserwissern lesen müsste, die sich bar jeder Sachkenntnis lautstark darüber beschweren, dass ihr Hund trotz CPiV-Impfung einen Zwingerhusten bekommen hätte. Ein für allemal: Das ist normal! Die Erkrankung verläuft nur weniger fies. Diese Impfkomponente reitet in den meisten Fällen in Kombinationsimpfstoffen mit. Ich halte sie besonders beim Welpen und Junghund, der besonders viel Kontakt zu Artgenossen hat bzw. haben soll (Welpengruppe, Hundeschule, etc.) durchaus für sinnvoll, wenn auch nicht für zwingend notwendig. Unsere eigenen Hunde und die meisten unserer Kunden erhalten diese Impfung. Die Grundimmunisierung erfolgt – wenn gewünscht – bei Verwendung des entsprechenden Kombinationsimpfstoffes sozusagen automatisch zusammen mit der gegen Staupe/Hepatitis/Parvovirose.

– Sonderfall Leptospirose beim Hund (im Impfpass: L, oft kombiniert mit einer Zahl, also z.B. L4): Ob gegen diese Krankheit geimpft werden soll oder nicht, ist sicher die schwierigste Entscheidung für sowohl Besitzer als auch Tierarzt. Leptospiren sind eine Familie von Bakterien mit über 200 Untertypen. Der zu diesem Zeitpunkt modernste Impfstoff (Nobivac L4) schützt nur gegen vier der häufiger vorkommenden Untertypen, nicht aber gegen den Rest. Es ist also sehr wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass auch ein geimpfter Hund sehr wohl an einer Leptospirose erkranken kann. Die Impfung verbessert also eigentlich nur die Chancen des Hundes, sich nicht anzustecken. Die Schutzwirkung erreicht nicht mal annähernd das Niveau, das wir von den gegen Viren gerichteten Impfungen kennen Dazu kommt, dass die Lepto-Impfstoffe als relativ “bissig” gelten und speziell bei Zwergrassen ein gewisses Potential für unerwünschte Nebenwirkungen der gemeineren Art haben.

Selbst unter den Immunologie-Koryphäen der verschiedenen Impfkommissionen herrscht bezüglich dieser Impfung absolut keine Einigkeit. Während die deutsche Stiko Vet die Leptospirose-Impfung nach wie vor als Core-Komponente und somit als absolut notwendig einstuft, rät die WSAVA dazu, speziell bei Zwergrassen (Toy Breeds) nur dann zu impfen, wenn sicher ist, dass im lokalen Umfeld des Hundes mit dem Auftreten der Leptospirose zu rechnen ist. Die Leptospirose wird durch den Harn von Wildnagern (Ratten und Mäusen) übertragen. Besonders sich gut erwärmende, stehende Wasserflächen und Pfützen stellen ein Risiko dar. Da unser Terrier Nogger ein echter Wasserhund ist und die Leptospirose in Ulm immer wieder mal Hunde erwischt, wird er im Sinne einer Chancenverbesserung regelmäßig geimpft. Bei einem wasserscheuen und mehr oder weniger in der Handtasche lebenden Chihuahua würde ich dagegen eher dazu neigen, auf diese Impfung zu verzichten. Wichtig zu wissen: Im Gegensatz zu den Viruserkrankungen ist die Leptospirose als bakterielle Infektion in der Regel mit Antibiotika erfolgreich zu behandeln, was aber eine frühe Diagnose voraussetzt, weil sehr schnell irreparable Schäden entstehen können. Ich kann also allen Besitzern, auch denen von geimpften Hunden, nur dringend raten, sich die leider wenig spezifischen Symptome einer Leptospirose (Fressunlust, Erbrechen, Fieber) einzuprägen und beim geringsten Verdacht schleunigst die Tierarztpraxis des Vertrauens aufzusuchen, idealerweise gleich mit einer Urinprobe im Gepäck.

Wenn Sie sich für die Leptospirose-Impfung entscheiden, so besteht die Grundimmunisierung aus zwei Impfungen im Abstand von 3 bis 4 Wochen ab der 8. Lebenswoche und einer dritten Impfung mit 15 Monaten. Die Verträglichkeit (gerade bei kleinen Hunden) kann nach unserer Erfahrung verbessert werden, indem man die Leptospirose-Komponente zeitlich getrennt von den anderen Impfstoffen verabreicht.

– Feline Leukämie (Felines Leukämie Virus, FeLV) bei der Katze (im Impfpass uneinheitliche Etiketten: Meist L oder FeLV): Für Stubenkatzen ohne Kontakt zu Freigängern ist diese Impfung absolut nicht notwendig, für Freigänger dagegen sehr wichtig. Das Mindestalter für die Grundimmunisierung liegt bei acht Wochen. Es wird zwei Mal im Abstand von 3 bis 4 Wochen und ein drittes Mal mit 15 Monaten geimpft.

So, damit haben wir die Grundimmunisierung mit den üblichen Komponenten durch. Exotischere Impfungen wie zum Beispiel die gegen Borreliose, Leishmaniose, Tetanus und Babesiose beim Hund und gegen Chlamydien und FIP bei der Katze sind eventuell ein Thema für einen anderen Artikel. Dieser hier wird schon so lang genug.

Jetzt kommen wir zum eigentlich heißen und ohne Unterlass für Diskussionen sorgenden Thema, auf das Sie wahrscheinlich alle gewartet haben, nämlich zu den Auffrischimpfungen nach abgeschlossener Grundimmunisierung. In diesem Punkt, der Dauer der Immunität (Duration of Immunity, DOI) gibt es große Unterschiede in der Auffassung auch der Experten, was man an unterschiedlichen Empfehlungen in den verschiedenen Leitlinien gut ablesen kann. Wir kommen leider wieder nicht umhin, die Impfkomponenten einzeln zu betrachten.

– Tollwut bei Hund und Katze: Was diese Impfung angeht, gibt es keine Diskussion, solange sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht ändern. Wird der Impfschutz benötigt, muss er auch aktuell gehalten werden. In welchen Zeitabständen eine Auffrischung zu erfolgen hat, geht verpflichtend aus dem Beipackzettel des verwendeten Impfstoffes hervor. Bei den in meiner Praxis gebräuchlichen Impfstoffen (Nobivac T für den Hund und Purevax Rabies für die Katze) ist die DOI nach abgeschlossener Grundimmunisierung mit drei Jahren festgesetzt. Um im rechtlichen Sinne den Impfschutz lückenlos aufrecht zu erhalten, darf diese Frist nicht um einen Tag überschritten werden. Ist der Nachimpftermin überzogen worden, führt das zu einer erneuten Karenzzeit von 21 Tagen, bis die Impfung wieder für den Reiseverkehr gültig ist. Besonders wichtig ist dieser Punkt für Tiere, bei denen schon mal der offizielle Tollwut-Titer für Reisen in nicht gelistete Drittländer als ausreichend bestimmt wurde. Bei lückenloser, termingerechter Nachimpfung bleibt diese Titerbestimmung lebenslang gültig. Wird dagegen ein Nachimpftermin auch nur um einen Tag überschritten, muss die Titerbestimmung erneut durchgeführt werden.

– Die Staupe/Hepatitis/Parvovirose-Combo beim Hund: Die Stiko Vet hält Nachimpfungen im dreijährigen Abstand für ausreichend, die Impfempfehlungen der Universität München gehen von einer DOI von drei bis vier Jahren aus und in den Leitlinien der WSAVA ist (vergleichsweise progressiv) von Nachimpfungen nicht häufiger als alle drei Jahre die Rede. Speziell die WSAVA lässt da also richtig Luft nach oben, was durchaus bemerkenswert ist. Im Prinzip akzeptiert die Vaccination Guideline Group der WSAVA mit dieser Formulierung sogar die Unterstellung einer lebenslangen DOI, also den gänzlichen Verzicht auf Auffrischimpfungen nach Abschluss der Grundimmunisierung.

– Parainfluenza beim Hund: Die notwendigen Zeitabstände für Nachimpfungen sind umstritten. Während die Stiko Vet und die WSAVA von nur einem Jahr ausgehen, hält die Medizinische Kleintierklinik München eine DOI von mindestens drei Jahren für gegeben und rät darüber hinaus bei Hunden, die keinem starken Infektionsdruck durch Großveranstaltungen oder ähnlichem ausgesetzt sind, nach der erfolgten Grundimmunisierung von weiteren Nachimpfungen ab. Allerdings: Auf der Website der Kleintierklinik gibt es einen Widerspruch. In einer Publikation wird das Nachimpfintervall für die Parainfluenza mit drei Jahren angegeben, in der anderen mit nur einem Jahr.

– Leptospirose beim Hund: Hier herrscht Einigkeit, dass für eine Aufrechterhaltung der begrenzten Schutzwirkung mindestens jährliche Nachimpfungen nötig sind.

– Die Katzenseuche/Katzenschnupfen-Combo bei der Katze: Da stoßen wir schon wieder auf gravierende Unterschiede in den Auffassungen der Experten. Zwar wird für die Katzenseuche-Komponente einheitlich eine DOI von drei Jahren oder mehr unterstellt, bezüglich der beiden Katzenschnupfen-Komponenten (Calici und Herpes) aber sieht die Stiko Vet die DOI für Freigänger bei nur einem Jahr, bei Stubenkatzen bei zwei Jahren. Die Medizinische Kleintierklinik München und die American Association of Feline Practitioners AAFP gehen dagegen bei sorgfältig grundimmunisierten Katzen von einer DOI von drei Jahren aus. Die WSAVA gesteht zu, dass die beiden Schnupfenkomponenten keine so robuste Immunität bieten wie die gegen Katzenseuche, empfiehlt aber trotzdem (mit leichtem Zähneknirschen, wie es scheint) ein Intervall von drei Jahren.

– Feline Leukämie (FeLV) bei der Katze: Wieder Uneinigkeit! Die Stiko Vet empfiehlt die jährliche Nachimpfung und nennt keine Altersbegrenzung nach oben. Die WSAVA rät zur Nachimpfung nicht häufiger als alle drei Jahre, wieder ohne Altersbegrenzung. Die Münchner Kleintierklinik dagegen hält Intervalle von drei Jahren für ausreichend und stellt ab einem Alter von etwa 8 Jahren diese Impfung ein, weil sich zu diesem Zeitpunkt eine Altersresistenz gegen die Krankheit entwickelt haben sollte.

Übrigens, wichtige Info: Wenn ein Tier nach korrekter Grundimmunisierung aus irgendwelchen Gründen über längere Zeiträume nicht nachgeimpft worden ist, ist nicht etwa eine wie auch immer geartete erneute Grundimmunisierung mit mehreren Impfungen notwendig. Lassen Sie sich da nichts einreden. Eine einzige Auffrischung reicht, um alles wieder auf den aktuellen Stand zu bringen. Bei der Grundimmunisierung dagegen kann ein Versemmeln der richtigen Zeitabstände (zum Beispiel ein Intervall von sechs Wochen anstatt drei bis vier) dazu führen, dass man wieder von vorne anfangen darf.

So, geschafft! Und was machen wir jetzt bei uns in der Praxis? Liebend gerne würde ich mich präzise an den “Goldstandard” der Stiko-Leitlinie halten (und habe das auch jahrelang getan), weil man dadurch als Tierarzt rechtlich mehr oder weniger unangreifbar wird. Unter dem schon mehrfach erwähnten Impfmotto “So wenig wie möglich, so häufig wie nötig” sind mir aber die deutlich progressiveren Empfehlungen der Münchner Kleintierklinik unter Frau Prof. Dr. Hartmann wesentlich sympathischer. Katrin Hartmann ist übrigens auch Mitglied der Stiko Vet und scheint mit den Impfempfehlungen der von ihr geleiteten Universitätstierklinik einen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, mit dem sie sich in der Kommission eventuell nicht ganz durchsetzen konnte.

Ich drifte also in meinem Impfverhalten schon seit einiger Zeit immer mehr in Richtung Münchner Impfschema und bin mit dem (auch in München eingesetzten) Titer-Schnelltest jetzt auch bereit und in der Lage, den nächsten Schritt zu noch längeren Impfintervallen zu gehen. Der Schnelltest kann zu verschiedenen Zeitpunkten in der “Impfkarriere” des Tieres zum Einsatz kommen, um die Notwendigkeit einer Auffrischimpfung zu verifizieren, zum Beispiel vor der letzten Impfung der Grundimmunisierung mit 15 Monaten oder drei Jahre nach dieser. Sowohl die unter Impfkritikern berühmten Untersuchungen von Prof. Ron Schultz (Mitglied der Vaccination Guideline Group der WSAVA) als auch die in der Humanmedizin üblichen Impfleitlinien und die von uns in der Praxis bisher durchgeführten Schnelltests geben uns klare Hinweise darauf, dass eine sauber durchgezogene Grundimmunisierung in vielen (aber sicher nicht allen!) Fällen einen zumindest für viele Jahre, wenn nicht sogar lebenslang anhaltenden Impfschutz gewährt.

Die jetzt von den Kommissionen angeführten und auch in den Beipackzetteln der Hersteller genannten Immunitätsfristen sagen rein gar nichts über die echte DOI. Sie sind nur Ausdruck der bisher hieb- und stichfest beweisbaren bzw. für die Zulassung der jeweiligen Impfstoffe gewählten Zeiträume. Ich habe also kein Problem damit, wenn sich ein Tierbesitzer auf eigene Verantwortung dazu entschließen sollte, auch mal (mit oder ohne Schnelltest, je nach Sicherheitsbedürfnis) länger als drei Jahre mit der SHP(Pi)-Combo beim Hund oder der Seuche/Schnupfen-Combo bei der Katze auszusetzen. Ich bin mir, wenn auch nicht hundertprozentig, so doch ziemlich sicher, dass das kein Problem sein sollte.

Übrigens: Mit das größte Problem bei dem Versuch, längere Impfintervalle durchzusetzen bzw. den Kunden zu empfehlen, dürften die Zuchtverbände und -vereine sowie Tierpensionsinhaber darstellen. Bei Hunde-Großveranstaltungen und Turnieren muss man froh sein, wenn man bei der Einlasskontrolle nicht auf einen verknöcherten Alt-Funktionär stößt, der noch nie was von dreijährigen Impfintervallen gehört hat und einen mit aus tiermedizinischer Sicht perfekt geführtem Impfpass wieder nach Hause schickt. Für Besitzer, die solche Veranstaltungen besuchen oder ihr Tier von Zeit zu Zeit in Tierpensionen unterbringen wollen, verbieten sich aus diesen Gründen bislang jegliche Experimente mit den Nachimpfintervallen. In solchen Fällen kann ich nur dazu raten, sich genau an die Leitlinien der Stiko Vet zu halten.

Damit wir nicht zu überschwänglich werden, jetzt mal zur anderen Seite der Medaille: So ganz komme ich als wissenschaftlich arbeitender Tierarzt dann doch nicht aus meiner Haut raus. Ein gewisses Unbehagen, sozusagen ein Restzweifel, bleibt. Ich würde halt gerne Beweise für eine sieben- oder zehnjährige oder gar lebenslange Immunitätsdauer sehen, und die liegen bislang leider nicht wirklich vor. Auf gut Deutsch: Es kostet mich kleinen Praktiker ganz schön Nerven, gegen die Großkopfeten der Immunologie anzustinken und meinen Patienten zu raten, unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. dauerkrankes, altes Tier) auf Nachimpfungen weitgehend zu verzichten. Ich wäre auch sehr ungern für einen Patienten verantwortlich, der das Sprichwort vom Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht, durch eine fatale Erkrankung bestätigt. Man denke nur an die aktuell wieder zunehmenden Parvovirose-Infektionen durch Importwelpen. Wir müssen uns da schrittweise vorarbeiten, was logischerweise nur in Echtzeit geht. Die Tiere, deren Impfstatus beobachtet wird, um bezüglich der notwendigen Impfintervalle neue Daten zu gewinnen, müssen ja auch erst mal fünf, zehn oder fünfzehn Jahre alt werden, bis man entsprechende Aussagen treffen kann. Da braucht es schon mehr als nur ein wenig Geduld. Und wir müssen uns immer mal wieder daran erinnern, dass wir in der Tiermedizin mit der Staupe, der Parvovirose, der Katzenseuche, der Felinen Leukämie und natürlich der Tollwut gegen Krankheiten impfen, die nicht nur ein wenig unangenehm, sondern echte Killer sind. Allzu viel Spielraum für Fehler gibt es da nicht.

Dazu kommt ein in meinen Augen sehr gewichtiger, von Impfkritikern aber gern übersehener ethischer Aspekt: Wirklich beweisende Untersuchungen zur Immunitätsdauer (DOI) sind zwangsläufig Challenge-Versuche, denn die Impftiter allein helfen uns diesbezüglich nicht weiter. Bei Challenge-Versuchen werden Hunde und Katzen, die vor so und so langer Zeit geimpft wurden, vorsätzlich mit dem echten Felderreger infiziert, um dann zu sehen, ob sie noch ausreichend geschützt sind. Sind sie es nicht mehr, werden sie natürlich krank und landen in der Pathologie. Nicht wirklich nett für die jeweiligen Probanden! Will man das konsequent durchziehen, benötigt man ganze Kohorten von Versuchstieren, die nach meinem Verständnis während der zu beobachtenden Zeiträume (also über viele Jahre) eigentlich komplett isoliert gehalten werden müssten, da sie ja ansonsten in freier Wildbahn dem echten Felderreger begegnen könnten, der dadurch für eine Nachimpfung auf natürlichem Wege sorgt. Es stellt sich also in Anbetracht der sehr kleinen bis geradezu winzigen Nebenwirkungswahrscheinlichkeiten von Impfungen schon die Frage, wie hysterisch und egoistisch wir sein und wie viele Versuchstiere wir dran glauben lassen wollen, nur damit unser eigener Vierbeiner ja nicht einmal zu viel geimpft wird.

Warum überhaupt die ganze Wallung und der enorme Aufwand? Warum ballern wir nicht weiter wie früher unter dem Motto “Sicher ist sicher” einfach jedes Jahr alles in das Tier rein, was geht? Nun, ganz einfach: Weil es sich im Lauf der Jahre zunehmend als unnötig herausgestellt hat. Bei einer ganz und gar unnötigen Intervention gelten auch noch so kleine Nebenwirkungsrisiken als inakzeptabel.

Welche unerwünschten Nebenwirkungen machen uns eigentlich Sorgen? Mal abgesehen von den für Impfungen generell üblichen Problemen wie Schmerzen, Schwellungen und Rötungen an der Impfstelle, Abgeschlagenheit, leichtem Fieber, allergischen Reaktionen usw., also Dingen, die im Vergleich zu den Krankheiten, gegen die man impft, Kleinigkeiten sind, gibt es zwei Sachen, die einem wirklich Bauchweh machen können:

– Das injektionsassoziierte Fibrosarkom der Katze: Jede Injektion (nicht nur Impfungen!), die eine lokale Entzündung der Unterhaut verursacht, hat mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1 zu 5000 das Potential, Jahre später ein Fibrosarkom, einen sehr bösartigen Tumor des Bindegewebes, auszulösen. Deshalb auch die Verlagerung des bevorzugten Injektionsortes am Körper der Katze vom Nacken zur seitlichen Bauchwand oder an die Hintergliedmaße, wo diese Art von Tumor besser operiert werden kann. Deshalb auch das Bemühen, die Katze wirklich mit so langen Intervallen wie möglich zu impfen. Und deshalb auch die in unserer Praxis verwendete komplett adjuvantienfreie Katzen-Impfstoff-Linie Purevax, die durch das (technisch schwierige) Weglassen von Adjuvantien weniger entzündungsauslösend ist und damit auch weniger Fibrosarkome verursachen sollte.

– Impfungen können unter bestimmten Umständen Autoimmunerkrankungen auslösen. Spätestens seit dem unstrittigen Nachweis des Zusammenhanges zwischen dem Human-Impfstoff Pandemrix (gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1) und dem vermehrten Auftreten der Narkolepsie (geimpfte Personen haben ein 13-faches Risiko im Vergleich zu ungeimpften) dürfte das als gesichert gelten. Für den Hund wird ein Zusammenhang zwischen bestimmten Impfungen (Leptospirose?) und immunvermittelten Krankheiten wie zum Beispiel der Autoimmunen Hämolytischen Anämie (AHA) zumindest diskutiert. Da reden wir von sehr schlimmen und absolut lebensbedrohlichen Krankheiten, die man keinem wünschen möchte. Wir wollen sie dementsprechend auch nicht durch zu häufiges Impfen auslösen. Andererseits: Für einen Haustierarzt wie mich, der im Jahr weit über 5000 Patienten sieht, können viele Jahre vergehen, bis er mal wieder eine AHA auf den Tisch bekommt. In Anbetracht der Tatsache, dass so gut wie jeder meiner Patienten auch geimpft ist, ist das natürlich nichts, weswegen man panisch werden müsste. Das gilt übrigens auch für den erwähnten Zusammenhang zwischen dem Impfstoff Pandemrix und der Narkolepsie: Etwa 6,4 Millionen Deutsche haben diese Impfung erhalten, die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Narkolepsie liegt bei 50 bis 60.

Ansonsten werden von verschiedenen Seiten alle möglichen Erkrankungen mit Impfungen in Verbindung gebracht, ohne dass es dafür wissenschaftlich tragfähige Beweise gäbe. Man muss ja heutzutage nur einen epileptischen Anfall beim Hund mit dem Handy filmen, ihn auf Facebook stellen und einfach behaupten, dass die L4-Impfung von vor drei Tagen, drei Wochen oder drei Monaten das verursacht hätte, und schon glauben das wieder ein paar Millionen. Schließlich steht es im Internet, also muss es ja wohl stimmen. Na ja, da machste nix dran! Meine sicher vielen von Ihnen bekannte Kollegin Sophie Strodtbeck kontert solche geistig reichlich einfach gestrickten Schlussfolgerungen gerne mit der Bemerkung, dass die meisten Hunde, die einen ersten epileptischen Anfall bekommen, höchstens eine Stunde zuvor durch eine Tür gegangen sind, was aber nicht bedeuten muss, dass das Durchschreiten von Türen Epilepsie auslöst. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich kann wissenschaftlich nicht ausschließen, dass Impfungen in extrem seltenen Fällen auch eine Epilepsie auslösen können. Das Gegenteil, also der Beweis dafür, ist aber bisher eben auch nicht angetreten worden.

Wenn wir von Nebenwirkungen reden, müssen wir uns auch noch kurz um das Thema Adjuvantien kümmern. Adjuvantien sind Hilfsstoffe, die der Impfung (in der Regel einem Totimpfstoff) beigegeben werden, um eine stärkere Immunantwort auszulösen. Viele Menschen fürchten sich vor Adjuvantien, trotz einer ziemlich eindeutigen Datenlage zur Ungefährlichkeit dieser Hilfsstoffe. Was Adjuvantien angeht, sieht es bei unseren vierbeinigen Patienten gar nicht so schlecht aus. Katzen können wir dank der von uns verwendeten Purevax-Impfstoff-Linie lebenslang adjuvantienfrei impfen. Beim Hund stoßen wir nur beim Tollwut-Impfstoff auf ein Adjuvans auf Aluminiumphosphat-Basis. Typischerweise lassen Adjuvantien die Mediziner völlig kalt (auch bei sich selbst), die Impfkritiker dagegen machen sich deswegen regelmäßig in die Hose. Wie auch immer man dazu stehen mag: Der für die Katze zugelassene und adjuvantienfreie Purevax-Tollwut-Impfstoff lässt hoffen, dass es auch für den Hund alsbald so etwas geben könnte. Dann wäre wenigstens Ruhe mit dem Theater.

Aber, oh weh, sowohl im Tollwut- als auch im Leptospirose-Impfstoff findet sich das Konservierungsmittel Thiomersal! Quecksilber!!! Supergiftig!!! Und wieder sitzt der Mediziner ungerührt da und lacht sich eins über die grassierende Paranoia. Bei Thiomersal handelt es sich um Ethylquecksilber, das wesentlich schneller wieder aus dem Körper ausgeschieden wird als das mit der Nahrung aufgenommene Methylquecksilber. Und wie das Methylquecksilber mit der Nahrung aufgenommen wird! Wenn Sie Ihrem Vierbeiner Dosen oder Trockenfutter mit Fischanteil kaufen, bekommt er mit jeder Mahlzeit mehr Quecksilber ab als mit der einen Impfdosis einmal im Jahr. Also lasst uns bitte auf dem Teppich bleiben!

Ein abschließendes Fazit bzw. persönliches Statement in griffigen Sätzen (in Fachpublikationen nennt man das seit einiger Zeit ganz hip und modern “Take Home”):

– Die Leitlinien der Ständigen Impfkommission Vet sind seit Jahren für Deutschland der „Goldstandard“. Kolleginnen und Kollegen, die immer noch stur jährlich gegen alles impfen, machen dem Berufsstand damit keine Ehre und verhalten sich ihren Kunden gegenüber nicht korrekt.

– Es sollte keinem Tierarzt vorgeworfen werden, wenn er sich an die Leitlinien der Stiko Vet hält und noch längere Impfintervalle als verfrüht und zu riskant ablehnt. Jeder hätte gern berufliche Rechtssicherheit, und die ist mit dem genauen Befolgen der Stiko-Leitlinien weitgehend zu bekommen.

– Allerdings stehen in meinen Augen die Stiko-Empfehlungen im Vergleich zu anderen Leitlinien – und hier besonders denen der Münchner Kleintierklinik – schon wieder ein wenig altbacken da. Eventuell tut sich da aber bald was Neues, nachdem die Kommission gerade von Grund auf umorganisiert wurde.

– Die perfekte Grundimmunisierung ist meine persönliche heilige Kuh! Meiner Meinung nach entstehen die meisten Impflücken durch eine schlampige oder unvollständige Grundimmunisierung.

– Wenn sich ein Tierbesitzer auf eigene Verantwortung dazu entschließt, nach einer guten Grundimmunisierung (!) mehr als dreijährige Impfintervalle anzustreben oder gegen die Krankheiten, für die das in Frage kommt, ab einem bestimmten Alter gar nicht mehr impfen zu lassen, dann bin ich der Letzte, der da im Weg steht. Titer-Schnelltests sind dafür nicht unverzichtbar, können aber eine gewisse Orientierungshilfe in diesem unübersichtlichen Gelände bieten.

– Wie die Guideline Group der WSAVA und so einige andere Kolleginnen und Kollegen bin ich – ohne es beweisen zu können – der Meinung, dass eine gut aufgebaute Immunität gegen Viruserkrankungen viele Jahre, vielleicht sogar lebenslang bestehen bleibt. Es muss aber auch klar sein, dass mit dem Ausreizen der Nachimpfintervalle ein gewisses Risiko verbunden ist.

– Impfungen gegen Krankheiten, die nur in jungen Jahren ein Risiko darstellen, sollten auch entsprechend zur richtigen Zeit eingestellt werden. Dies betrifft vor allem die FeLV-Impfung bei der Katze, die wir nur bis zum siebten Lebensjahr geben. Bei Hunden, die nicht regelmäßig einem erhöhten Infektionsdruck (z.B. auf Großveranstaltungen) ausgesetzt sind, kann nach erfolgter Grundimmunisierung die Nachimpfung gegen Parainfluenza wegfallen.

– Was für den einen Hund oder die eine Katze richtig sein mag, ist es noch lange nicht für jedes Tier. Es ist deshalb in jedem Fall wichtig, unter Berücksichtigung vieler Faktoren (aktueller Stand der Wissenschaft, Vorgeschichte, Alter, Lebensumstände, Dauererkrankungen, etc.) für das jeweilige Tier einen maßgeschneiderten Impfplan zu formulieren.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie vor etwa 25 Jahren Professor Marian Horzinek (Mitglied sowohl der Stiko Vet als auch der Vaccination Guideline Group der WSAVA) auf der Bühne der Baden Badener Kleintiertage stand und provokant fragte: “Wie oft haben Sie sich denn gegen Masern nachimpfen lassen? Gar nicht? Warum impfen Sie dann die Staupe beim Hund jedes Jahr?” (Man muss dazu wissen, dass das Staupe- und das Masernvirus sehr eng verwandt sind.) Als ganz junger Tierarzt, dem man das jährliche Nachimpfen richtig ordentlich eingeimpft hatte, dachte ich für mich und sicher gemeinsam mit 90 Prozent der anwesenden Kolleginnen und Kollegen: “Wo ist der Typ denn ausgebrochen?”. Das, worüber wir heute diskutieren, hätte ich mir damals sicher nicht träumen lassen.

So, das war’s jetzt aber. Ich bin sicher, dass es in den Kommentaren auf Facebook neben viel Zustimmung auch wieder jede Menge Propaganda von Impfverweigerern (Anti-Vaxxern) geben wird, die sowieso erst dann zufrieden wären, wenn wir verblendeten Big-Pharma-Impfsklaven endlich zugeben würden, dass sie die Schlausten überhaupt sind. Und ich möchte wetten, dass wieder irgendwer völlig zusammenhanglos verkünden wird: Wir BARFEN!!! Aber das alles soll die große Mehrheit der Vernünftigen nicht weiter kratzen. Ich hoffe, Sie empfinden meine Informationen als nützlich, und bitte Sie wie gewohnt:

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

8. September 2017 / by / in ,